Am Sonntag verstirbt überraschend Ferdinand Piëch. Eine konsequente, mächtige und autoritäre Führungsperson hat das Führungsparkett verlassen. Kein anderer deutscher Manager hat sich so lange an der Spitze eines deutschen Großkonzerns gehalten. Sein Konzept: Piëch baut konsequent an seiner Macht.
Als Kind erlebt der Enkel von Ferdinand Porsche Pflicht statt Liebe und Macht statt Annahme. Sein Vater stirbt früh und die Mutter schickt den ungenügenden Schüler auf ein englisches Internat. Hier lernt er: Wer sich auf andere verlässst, ist verlassen. Also verlässt Ferdinand Piëch sich ab sofort nur noch auf sich selbst.
Lebenslanger Machtkampf
Nach seinem Studium und der Entwicklung des legendären Porsche 917 hofft Piëch auf den Chef Posten bei Porsche. Aber die Familie hat andere Pläne. Man schaut verächtlich auf ihn herunter, während sich die Verwandtschaft etwas auf ihren Namen einbildet. In dieser Zeit werden die Weichen gestellt für einen lebenslangen Machtkampf.
1993 übernimmt Piëch den VW Konzern. Er feuert Topmanager, führt die 4-Tage –Woche ohne Lohnausgleich ein und wird hinter vorgehaltener Hand „Fugen Ferdl“ genannt, weil er so wahnsinnig pedantisch ist. Piëch strebt mobile Perfektion an. Seine Eigenschaften: überheblich, kontrollsüchtig, angsteinflössend, mächtig, ehrgeizig, brutal, visionär, unberechenbar und unnahbar.
Seine Mitarbeiter ducken sich weg, wissen, nur ein falsches Wort, ein falscher Blick und du kannst gehen. Piëch erwartet, dass seine Mitarbeiter, genauso wie er an ihre Grenzen gehen, das Beste rausholen, mehr leisten als erwartet wird. Er sagt: „An dieser Grenze ist nicht immer Harmonie zu Hause.“
12 Kinder hat Ferdinand Piëch und nur zu seinem jüngsten
Sohn konnte er eine echte Beziehung aufbauen.
Tragisch. Denken die Einen.
Vorbild. Denken die Anderen.
Für sein Lebenswerk wird Piëch über die Jahre ausgezeichnet –
Ehrenbürger – Ehrendoktor – Medaillen – wichtigster Manager seit 1971 –
Honorarprofessor – Ehrensenator.
Was bleibt nach solch einem kompromisslosen Leben voller Macht und der ständigen Angst überholt zu werden?
Piëch ist kein Einzelfall. In den Chefetagen deutscher Konzerne und Organisationen sitzen oft einsame Männer und Frauen, die nur eines antreibt: Einmal vom Vater gelobt werden – einmal von der Mutter ein Kompliment bekommen. Wissen, jemand ist stolz auf mich. Jemand sieht mich.
Diese Sehnsucht bleibt verborgen unter dem Lebensteppich. Nur manchmal hebt der sich ein Stückchen. Dann wird sichtbar, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Erkenntnis nagt – ich schaffe es nicht, Beziehungen aufzubauen, geschweige denn zu halten. Die Angst, dass andere mich überholen, schneller sind als ich macht mich wahnsinnig.
Der Rausch der Macht
Der in der Kindheit erlebte Minderwert und das damit einhergehende Gefühl können nun legal in eine Machtposition umgewandelt werden. Hier habe ich das Sagen, niemand sagt mir, was ich zu tun habe. Aber alle tun, was ich will.
Wer in der Nähe eines solchen Machtmenschen überleben will, sollte ihn bewundern, verehren und am besten seinem Chef die Wünsche von den Augen ablesen. Macht macht sexy. Erfolg und Reichtum tun ein Übriges.
Machtmenschen werden bewundert
Macht macht übrigens nicht vor christlichen Organisationen halt. Auch hier gibt es zahlreiche „Piëchs“. Führungskräfte, die sich aus Minderwertigkeit in die Machtposition katapultiert haben. Deren Sehnsucht es ist, bewundert und geliebt zu werden.
Es ist viele Jahre her, dass solch ein „Piëch“ vor mir saß. Beruflich ganz oben angekommen – Privatbankier – Villa – Porsche – Gehälter bei denen mir schon beim Zuhören schwindelig wurde. Nie vergesse ich diesen Moment, als der Teppich sich hob und klar wurde: Er wollte nur einmal von seinem Vater hören: Junge, ich bin stolz auf Dich. Tränen glitzerten – der Vater war schon Jahre tot, aber die Sehnsucht war geblieben.
Diese Sehnsucht hatte ihn getrieben, die Karriereleiter hoch, vorbei an den Menschen, die ihn liebten. Sie hatte ihn in die Einsamkeit und schließlich ins Burnout getrieben.
Als die Sehnsucht endlich einen Namen hatte, konnte er sein Leben anschauen, seine Muster, seine Erfolge und sein Scheitern. Und sich neu orientieren hin zu den Menschen, mit denen er das Leben teilte.
Ferdinand Piëchs Leben beeindruckt mich. Kompromisslos läuft da eine Führungskraft ihren Zielen hinterher – bereit zu siegen.
Und er gewinnt. 2012 schluckt VW die Porsche AG. Da ist Piëch am Ziel angekommen.
Und er verliert – 2015 den Machtkampf mit Vorstandschef Winterkorn.
Ein Leben voller Licht und Schatten.
Die Frage, die mich umtreibt: Wie will ich am Ende die Augen schließen? Was steht in meinen Nachrufen? Was sagen andere Menschen über mich? Was zählt am Ende? Der Ehrendoktor? Oder Menschen, die ich geliebt habe und die mich geliebt haben?
Die spannenden Fragen in der Führungsetage sind:
- Liegt mein Fokus auf den Menschen oder auf deren Leistung?
- Wer darf mir so nahe kommen, dass er mich auch auf meine blinden Flecken aufmerksam machen kann?
- Bei wem kann ich ehrlich sein, über meine Sehnsüchte reden und meine Masken fallen lassen?
- Wer stoppt mich, wenn ich im Sog der Macht drohe unterzugehen?